Wo war ich, bevor ich geboren wurde?

Ob es einem nun passt oder nicht: Die längste Zeit auf der Erde hat es uns wohl nicht gegeben. Die meisten Dinge, die passiert sind, haben anscheinend ohne uns stattgefunden und wir haben zwar davon gehört, können uns aber nicht daran erinnern. Weil wir es nicht selbst erlebt haben.

Selbst Menschen, die uns nahe stehen, unsere Eltern zum Beispiel, haben prägende Erlebnisse gehabt, noch lange, bevor wir dabei sein konnten. Wir kamen erst danach. Aber seit wann genau gehören wir eigentlich so richtig dazu zur Welt? Und sind wir wirklich nur da, so lange wir denken, dass wir da sind? Oder erstreckt sich unsere Existenz über Geburt und Tod hinaus?

Zunächst sind sich alle Kinder im Salon einig, dass sie vor ihrer Geburt irgendwie in den Körpern ihrer Eltern waren, die meisten entscheiden sich für die Vorstellung, ein sehr kleiner Teil ihrer Väter gewesen zu sein. Ein Junge denkt diese Vorstellung weiter: „Es gibt mich also, seit es meinen Vater gibt“. „Nein“, widerspricht ein anderer, „dich gibt es erst seit deiner Geburt“. „Ich glaube“, vermutet der nächste, „so richtig gibt es mich erst, seit ich über mich selbst nachdenke. Das war mit fünf“. Dass es eine Zeit gegeben hat, die keine Kenntnis hatte von ihnen, ist allen Kindern in der Runde nicht so richtig geheuer.

Wir lesen die Geschichte „Das Fahrradurlaubsfoto“ aus Asa Linds „Zackarina und der Sandwolf“. Der Sandwolf erzählt darin von seiner Existenz als Stein. Für ein Foto von uns selbst basteln wir uns Bilderrahmen aus Papptellern und verzieren sie bunt. – Dass sie sich nicht aus Steinen entwickelt haben, steht für alle Kinder in der Runde außer Zweifel. Aber auf einen Zeitpunkt, ab wann es sie auf der Erde gibt, können sie sich immer noch nicht einigen. „Es gibt mich, seit meine Eltern sich ein Kind gewünscht haben“ bemerkt ein Mädchen, „denn ab dann hatte sie eine Vorstellung von mir“. „Aber mit einer Vorstellung kann man sich auch täuschen“, wirft ein Mädchen ein, „es gibt ja Kinder, die kommen ganz anders zur Welt, als die Eltern das dachten, und welche Vorstellung war das dann?“. „Vielleicht die von Gott“, meint ein Junge.

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Ist die Vorstellung, die wir von uns selbst haben, möglicherweise die Seele, die in uns wohnt? Wenn die Seele von uns ohne unseren Körper existieren kann, könnte es dann sein, dass wir vielleicht doch schon lange auf der Erde sind, viel länger, als wir uns erinnern können? Ein Junge schlägt vor, es könne ja sein, dass Adam und Eva einmal alle Seelen von allen Menschen hatten „und von da aus werden sie immer neu verteilt“. Ein anderer sieht es quasi umgekehrt: „Vielleicht ist die ganze Geschichte auch nur erfunden und die ersten Menschen sind jetzt wir“.

Meeresrauschen und isländische Elfenklänge. Eine Ohrenreise ans Meer

Im letzten Salon vor Weihnachten wollen wir die Aufmerksamkeit der Kinder von der äußeren, sichtbaren Welt zu den eigenen, inneren Bildern und Erinnerungen lenken. In der Mitte des Kissenkreises und um eine blaue Kerze herum liegen heute große und kleine Muscheln, eine Koralle, Bilder mit Wellenformationen, eine Postkarte mit dem träumenden, „jungen Philosophen“ des Malers Carsten Weitzmann und drei Kärtchen mit in Druckbuchstaben und in Tusche geschriebenen Wörtern: „TAUCHEN“, „WELLEN“, „TRÄUMEN“.

Die ersten Kinder, die kommen hocken sich sofort vor die Muscheln. Die großen halten sie sich an Ohr: „Oh, die rauschen!“ „Da ist was drin!“, ruft ein Junge und bohrt mit dem Finger in die Muschel. Alle Muscheln werden vergleichend ans Ohr gehalten. Die Kinder sind begeistert. Zwei Mädchen schauen die Bilder am Boden an. „Was ist wohl heute unser Thema?“ fragen wir. „Wellen“, „Wasser“, „Meer“, kommen die Antworten. Das Bild mit dem schlafenden Jungen, vor dem ein kleiner Mann mit Hut entlang spaziert; irritiert ein Mädchen: „Und das, was ist das, der schläft ja?“, fragt sie. Wir: „Ja, der schläft und träumt. Träumen wollen wir heute auch. Wir wollen die Augen schließen und mit den Ohren eine Reise ans Meer machen.“

Als alle da sind, sucht sich jeder ein gemütliches Plätzchen am Boden oder auf dem Sofa. Wir fragen, wer denn schon einmal am Meer war. Alle heben die Finger und wollen erzählen. An der Ostsee waren sie, am Mittelmeer, im Sommer und im Winter. „Wir hatten nur Regen“, klagt ein Kind. Ein Mädchen erzählt von ihrem Erlebnis unter Wasser: „Im Meer bin ich ohne Taucherbrille untergetaucht und die Augen haben ganz doll gebrannt und ich konnte nichts mehr sehen. Da kam mein Papa, der hatte eine Brille und hat mich gefunden.“ Wir fragen, ob sie Angst gehabt hätte. „Nein, mein Papa hat mich ja gefunden.“ Wir sprechen über den Sand am Strand, das salzige Wasser und über große und kleine Wellen.

Nun starten wir unsere „Ohrenreise ans Meer“. Zunächst machen wir das Wellengeräusch selber mit dem Mund. Alle machen mit, einige bewegen rhythmisch die Arme dazu. Wir erzählen, dass das Meer schon da war, als es die Menschen noch gar nicht gab. „Immer und immer, schlagen die Wellen ans Ufer. Wenn wir jetzt die Augen schließen, können wir das Meer hören und vielleicht träumen wir auch etwas.“  Ein Junge, der heute zum ersten Mal dabei ist, ist etwas aufgeregt. Er bleibt sitzen und beobachtet die anderen Kinder.

Wellengeräusche erfüllen den Raum, dann folgen isländischen Wasserelfengesänge (Björk „Vísur Vatnsenda Rósu“, 2006). Als die Musik endet, hört man Gähnen und gemütliches Räkeln. Ein Mädchen raunt entspannt: „Noch mal!“ „Nein“, kontert der neue Junge und wird von einem Mädchen unterstützt. Wir: „Und, ward ihr am Meer?“ Einige antworten mit „Ja“, ein Mädchen: „Nein, im Meer, im Meer!“ Ein anderes Mädchen: „Ich war in einer Musikwelt und die Noten waren bunt.“ Ihre Nachbarin: „Ich war in einer Muschel, ich hab da reingeschaut.“ „Ich war eine Meerjungfrau und kann zaubern“, sagt das Mädchen daneben. Als wir auf das Lied von Björk zurückkommen und von dem in Island verbreiteten Glauben an Feen und Elfen erzählen, sind einige Mädchen ebenfalls von ihrer Existenz überzeugt. „Natürlich gibt es Feen und auch Nixen und Meerjungfrauen“, sagt ein Mädchen, das heute zu Gast bei uns ist. „Wir wollen jetzt malen“, kommt die bekannte Forderung.

Die Kinder suchen sich einen Platz an den Tischen, eines wählt die große hellblaue Pappe am Boden. Die Malmaterialien sind heute von Blau-Grün und Violett dominiert, die passend getönten Malpappen sind längsformatig. Alle Kinder wählen Tusche, manche schneiden aus Transparentpapier Fische aus. Kleinteilige Meerjungfrauen gestalten sie mit Filzstiften. Zwei Kinder malen ihr Bild gemeinsam. Mit Neugierde werden die Schwämmchen, die neuen kurzen und dicken Pinsel und eine nach Marzipan duftende, streichbare Klebepaste ausprobiert. Jedes Kind weiß sofort, was es malen will – bis auf unseren neuen Jungen, der sichtlich gehemmt ist und sein Blatt anstarrt. Wir fragen, was er denn malen möchte? „Ich kann kein Meer malen“, klagt er. „Ich male immer den Jedi von Star Wars, wenn ich malen soll.“ Wir ermuntern ihn die Schwämme oder die gewellte Pappe, mit der man Wellen drucken kann, auszuprobieren, aber er lehnt ab und malt seinen Ritter. Einige Minuten später fragen wir: „Vielleicht ist dein Jedi ja am Meer?“ Er stimmt zu, bittet aber um Hilfe beim Auftragen der Farbe auf die Pappe. Als der erste Abdruck fertig ist, macht er alleine weiter und wird ganz nervös, als seine Mutter ihn abholen möchte. „Ich kann nicht so schnell, ich will noch mehr Wasser malen“, sagt er. Die Mutter läßt ihm noch etwas Zeit, erinnert dann aber an den gemeinsamen Termin. Wir schlagen vor, dass er die Druckpappe und sein Bild mitnehmen und Zuhause weitermalen kann. Die Mutter stimmt zu. Wir betonen, dass wir uns freuen, wenn das Kind zum nächsten Salon wiederkommt.

Uns wird auch klar, wie selbständig und frei die anderen Kinder ihre Bilder gestalten und wie zufrieden sie dabei sind. Unsere Leitmaxime „Beim Philosophieren gibt es kein „Richtig“ und „Falsch“ ist für sie zur Selbstverständlichkeit geworden. Beim Malen reden sie über das Gefühl sich Wasser über den Kopf zu schütten, über die „schrumpelige Haut nach dem Baden“, über gefährliche Krokodile und darüber, warum Menschen nicht unter Wasser leben können, obwohl sie noch die Reste von Schwimmhäuten zwischen den Fingern haben. Ob das Meer irgendwo zu Ende ist, wird ausführlicher diskutiert.

Während sich drei Mädchen für Meerjungfrauen entscheiden, ist ein Kind ganz versunken dabei, blaues Papier mit dem cremigen, duftigen Kleber zu bestreichen und auf eine Pappe zu drücken. Am Boden entsteht ein großer Wellenschwung. Bei all dem Blau sticht das Bild eines Mädchens hervor: Mit kräftigen und farbsatten Pinselschwüngen trägt sie tiefes, erdiges Rot auf und lächelt genußvoll: „In dem Haus wohn‘ ich mit Mama und Papa am Meer, auf einer Insel in Deutschland“, schwärmt sie. Erst ist da auch wirklich noch ein wenig Blau in einer Bildecke, dann ist alles rot: „Das Haus hat das Meer verschluckt“, lacht sie.

Bin ich eine Welle, ein Baum in einem dichten Wald oder vielleicht eine Blumenwiese?

Die Zauberblume

Die Zauberblume

In die Mitte des Kissenkreises stellen wir heute eine Kerze im Glas und hoffen, die doch am Anfang der Salons zumeist recht unruhigen Kinder etwas vorweihnachtlich-bedächtig zu stimmen. Für den Raumduft wählen wir ein ätherisches Öl, das nach Zimt und Orangen riecht. Die nacheinander eintreffenden Kinder schauen auf die Kerze und reden über das anstehende Weihnachtskonzert. Dann erinnern wir sie an die getrockneten Blüten aus dem Gewächshaus. Klebstoff und die Stifte stehen zur Verfügung. Wer seine Blüte vergessen hat, bekommt eines der von uns mitgebrachten Blättchen.

Als alle da sind, eröffnen wir den Salon mit einem Triangle-Klingen und sprechen bewußt leiser. Wir greifen die Frage aus dem Gewächshaus noch einmal auf: „Sind Pflanzen lebendig?“ Diesmal ist ein einhelliges „Ja“ die Antwort. Wir fragen, was denn noch alles lebendig ist. Es folgen: „Bäume, Büsche, Menschen, Kinder, Tiere – die Welt.“ Das Mädchen, das im Gewächshaus von lebendigen Geistern gesprochen hat, begründet ihre Aussage: „Im Traum hab‘ ich Geister gesehen, und da sind die lebendig.“ Ein anderes Mädchen hat ein Gedicht über eine Zauberpflanze mitgebracht und liest es vor. Ein drittes, recht leise sprechendes Kind, möchte ihr mitgebrachtes Buch zeigen. Da sie auf einem Hocker sitzt, rückt sie sich etwas mehr in die Mitte, fragt uns: „Bin ich jetzt im Kreis?“ und startet nach unserer Bestätigung: „Da sind lebendige Tiere drin.“ Sie zeigt Bilder mit Giraffen, Löwen usw. und ist sichtlich stolz. Ein Junge, der sich etwas abseits auf eine Bank gesetzt hat ruft: „Im Gewächshaus sind gar keine Tiere!“ Ein agiles Mädchen springt aufs Sofa und hüft: „Doch, Ameisen, Würmer und Flöhe und die sind lebendig, die springen!“ Sie lacht. „Na, dann sind die Pflanzen aber nicht lebendig, die bewegen sich nicht!“, kommt der Einwand von einem Kind. Ein anderes kontert wiederum: „Klar bewegen die sich, die wachsen ja und bewegen sich, wenn der Wind in sie reinbläst.“ Vorweihnachtliche Ruhe ade! Einige unserer Kinder können nur in Bewegung philosophieren, das ist eine sichtbare Tatsache.

Charakter-Karten

Wir legen die vorbereiteten „Charakter-Karten“ in die Mitte und fragen: „Welches Bild passt zu Euch, wie fühlt ihr Euch oder wie möchtet ihr sein?“ Wir verbalisieren die Karten: „Wie ein kräftiger Baum mit vielen Ästen und tiefen Wurzeln, oder ein kleines Bäumchen, umgeben von anderen? Wie eine starke Welle? Wie eine stolze Rose? […]“ Die Kinder überlegen länger. Der Junge von der Bank kommt in den Kreis, greift sich die Welle und entwischt wieder. Nacheinander begründen die Kinder ihre Entscheidung. Das „Tierbuch-Mädchen“ hat den buckligen asiatischen Berg gewählt: „Ich bin ein Berg, auf dem die Menschen wandern können.“ Sie schaut versunken auf ihre Karte. „Ich bin eine Unterwasserblumenwiese“, ruft ein Mädchen. Ein anderes: „Ich bin eine Rose und die Menschen freuen sich, weil ich so schön bin.“ Die Wahl eines gelb-roten Farbfeldes von Mark Rothko begründet unsere „Kugelmenschen-Malerin“: „Ich bin kein Sonnenuntergang, ich bin die Liebe.“ Auf Ansprache ruft unser „Wellen-Junge“: „Ich bin ein Tsunami, eine riesige Welle.“ Ob sich die Menschen denn noch retten könnten vor der Welle, fragen wir. „Die Piraten nicht, ich hasse Piraten“, er rennt einmal durch den Raum und setzt sich wieder. Keiner will seine Karte wieder abgeben, keiner will „mit einem Segelboot in die weite Welt“! Manche Kinder wollen nicht reden.

In einer zweiten Runde legen wir samtige, flauschige, raue, glitzrige und gold-edelsteinerne Karten in die Mitte. Die Kinder fühlen und schauen. Man sieht, dass sie ihre Wahl mehr spüren, als verbalisieren. Unseren „Wellen-Jungen“ holen wir zurück in den Kreis, nehmen ihn an die Hand, dann neben uns in den Arm. Das wirkt für ein paar Momente. Er greift zielsicher das braune Bärenfell und – ist gut gelaunt wieder auf seinem Außenposten. Auf die Bitte eines Mädchens kommt er zurück und leiht ihr für einen Fühl-Moment seine Karte. Das Angebot, selbst Karten zu gestalten – mit all dem Glitzer und Kuschel – lassen sich unsere Philosophen und Philosophinnen nicht zwei Mal machen. Da sind sich alle einig. Und schon Momente später ist es ganz still im Raum.  Es wird kaum geredet, alle malen, schneiden und kleben – auch der „Wellen-Junge“! 

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Als das Mädchen, das beim letzten Mal gefragt hatte, was die Seele sei, gerade mit einem Buch etwas abseits sitzt, kommen wir auf ihre Frage zurück. Sie freut sich und sagt, dass sie das jetzt schon weiß: „Gefühle!“ Wir sind erstaunt über die prägnante Antwort und erzählen noch etwas mehr von den verschiedenen Vorstellungen der Seele auf der Welt. Obwohl man die Seele nicht sehen könne, gäbe es aber doch Bilder, die sich die Menschen bereits vor mehr als 4000 Jahren von ihr machten. Wir zeigen ihr eine Konturzeichnung des Seelenvogels Ba aus dem ägyptischen Totenbuch. „Damals glaubte man, wenn ein Mensch stirbt, würde seine Seele als Vogel den Körper verlassen und weiterleben“, erklären wir. In diesem Moment kommt ihre Mutter, um sie abzuholen. Das Kind zeigt ihr fröhlich das Bild. Die Mutter ist ganz angetan von der bedächtigen Betriebsamkeit im Raum. Wir auch.

Wozu brauche ich Freunde?

„Freundinnen müsste man sein…“ heißt es in einem Lied von Funny van Dannen. Und tatsächlich gibt es so unglaublich viele Dinge, die man mit Freunden tun kann. Aber könnte man das alles nicht auch genauso gut alleine machen? Ab wann ist jemand, den man kennt, ein Freund? Und was muss er mitbringen, um nicht einfach nur irgend jemand zu sein, sondern eben ein ganz besonderer Mensch, mit dem wir befreundet sein wollen? Müssen wir unsere Freunde dauernd treffen oder können sie auch am anderen Ende der Welt wohnen?

Kugelmensch

Wir hören die Geschichte von Platons Kugelmenschen, die mit ihren vier Armen und Beinen beneidenswert gut ausgestattet waren. Sogar von den Göttern wurden sie beneidet – und schließlich in zwei Hälften geteilt, die sich fortan nacheinander sehnen. Diese Sehnsucht kennen viele Menschen und manche behalten sie ihr Leben lang. Heißt das, dass wir ohne einen anderen Menschen unvollständig sind?

In Shel Silversteins Geschichte „Die Geschichte vom Missing Piece“ wird eine Variante des Kugelmensch-Mythos erzählt: Ein Kreis sucht sein fehlendes Stück, findet es schließlich, und lässt es nach einer gemeinsamen Zeit wieder los. Wir lesen das Buch und überlegen: Ist die Sehnsucht nach einem perfekten Partner vielleicht eigentlich ganz schön?

„Ein Freund hat etwas, das du brauchst“, sagt ein Junge in der Runde. „Und was du brauchst, das ändert sich“. „Ja“, ergänzt ein Mädchen, „wenn du deine Sorgen loswerden willst, zum Beispiel. Dann kann dir dein Freund sagen, dass alles nicht so schlimm ist“. „Ein Freund oder eine Freundin muss dich verstehen, dafür muss er oder sie so ähnlich sein wie du“, merkt ein anderes Mädchen an. „Aber auch verschieden!“ ruft ein Junge, „sonst wäre es langweilig“.

In die Ausstanzungen kleiner Papierstücke schreiben die Kinder, wozu sie jemanden brauchen, was zu zweit einfach schöner ist als allein. Auf die ausgestanzten Papierkreise notieren sie, wer diese Person ist oder wie er oder sie sein sollte. Die meisten Kinder sind außerdem nachhaltig begeistert vom Kugelmensch und malen ihre Vorstellung davon in ihre Arbeitsbücher.

„Ein Freund muss zu dir passen, du kannst nicht einfach mit jedem befreundet sein“, bemerkt ein Junge abschließend. „Ein Freund ist wie ein Teil von Dir. Das kann man nicht immer erklären. Aber fühlen kann man es schon“.

Sind Pflanzen lebendig? (Exkursion)

Heute geht’s in die naheliegende Gärtnerei am Kreuzberg. Wir erzählen den Kindern, dass der Gärtner sich extra für uns Zeit nimmt und wir ihm deshalb etwas mitbringen möchten. Also kleben wir unser Gruppenfoto vom Besuch bei der Künstlerin Claudia Rößger auf eine Karte, alle Kinder unterschreiben und ein Mädchen malt eine wunderschöne Blume dazu. Ein anderes Mädchen blättert währenddessen in ihrem Phil, Sophie & Co-Buch. Dort hat sie die Seite mit der Frage  „Wo wohnt die Seele? und dem Umriss eines Menschen aufgeschlagen. Alle sind schon angezogen und wollen los. „Was ist die Seele?“ fragt sie ganz unbeirrt. Wir sind begeistert, wissen aber auch, dass es hier keine Ein-Satz-Antwort gibt: „Das ist eine spannende und eine wichtige philosophische Frage, die man aber nicht in einem Satz beantworten kann. Wir versprechen Dir, dass wir beim nächsten Mal darauf zurückkommen.“

Die Kinder rennen durch den Park. Im Gewächshaus der Gärtnerei angekommen, wollen sie dem Gärtner zunächst gar nicht zuhören und erst einmal alles anschauen. „Kann man die essen?“ fragt ein Kind und zeigt auf einen Kräuterbusch. Er nickt, die Kinder zupfen Blättchen ab und probieren Majoran. Den meisten schmeckts. Es gibt aber auch ein „iii“. Wir fragen, was die Pflanzen alles brauchen, um gut wachsen zu können? „Wasser, Sonne, Erde, Dünger“, kommen die Antworten. Der Gärtner erzählt, dass viele Pflanzen hier überwintern, weil sie den Frost nicht vertragen. Sie machen quasi Winterurlaub. „Ein Hotel für Pflanzen also“, sagen wir. „Ein Zoo für Pflanzen“, ruft ein Mädchen. Die Kinder kriechen durch die Gänge. Ein Mädchen holt uns in eine versteckte Ecke: „Hier stinkts“, sagt sie und strahlt. Wir riechen nichts. Sie zeigt auf die Palme und wiederholt: „Die stinkt!“ Sie ist sichtlich begeistert.

Wir versammeln uns für unsere Mandarinen-Runde auf einem Podest. Als alle mit Schälen und Essen beschäftigt sind, erzählen wir die Geschichte „Im Garten“ aus „Das große Buch von Frosch und Kröte“ (Arnold Lobel), in der die phantasievollen, aber auch ungeduldigen Versuche der Kröte beschrieben werden, die ihr vom Frosch geschenkten Samen zum schleunigen Wachsen zu animieren. Die Kinder erzählen sich, wer einen Hof, wer einen Garten und wer Blumen Zuhause hat. „Wir haben nur Plastikblumen“, erzählt ein Kind. Während des Vorlesens sagt ein Mädchen einfühlend: „Die können nicht so schnell wachsen.“ Als die Kröte mutmaßt, dass die Samen nachts Angst haben könnten, raunen die Kinder: „Die sind doch nachts auch hier drin, die können doch nicht weglaufen.“ Bei der Frage, ob Pflanzen denn schneller wachsen würden, wenn man mit ihnen spricht, gehen die Meinungen auseinander. „Ich spreche mit meinem Baum, aber ich weiß nicht, ob der mich versteht“, sagt ein Mädchen.

Der Gärtner kommt. Wir machen ein Gruppenfoto und überreichen ihm unsere Karte. Danach teilen wir uns in kleine Gruppen auf. „Sind Pflanzen lebendig?“, fragen wir. „Ja“, und „Nein“ mischt sich. Wir stehen vor einem Bambus, der unten gelbe, welke Blätter hat und oben kräftig-grüne. „Die unten sind unglücklich, die oben glücklich“, sagt ein Mädchen. Alle gucken. Einige „Nein“-Sager kommen ins Wanken, ein Mädchen nicht. „Was bedeutet denn ‚lebendig‘, bist Du lebendig?“, fragen wir. Sie überlegt: „Nein, lebendig ist, wenn man so ist wie ein Geist.“ Ein anderes Mädchen kontert: „Pflanzen sind lebendig und Kinder sind auch lebendig. Aber anders. Die Menschen können laufen, aber die Pflanzen nicht.“ „Ob es den Pflanzen wohl weh tut, wenn man sie schneidet“, fragen wir. „Jaaa“, antworten erstaunlicherweise beide Mädchen. Bei der Frage, ob Pflanzen eine Seele haben, sagen sie erst „Ja“, entscheiden sich dann aber doch für „Nein“. Der Gärtner ist anderer Meinung.

Der Gärtner zeigt Zitronen- und Bananenbäume. Die noch grünen Minibananen stoßen auf großes Interesse. „Ich kenn einen Frikadellen-Baum“. „Wachsen die auf Bäumen?“, fragen wir. „Äh, Mirabellen-Baum“ mein ich. Ein Kind zerkrümelt die Erde mit den Fingern und ist irritiert, wie klebrig sie sich anfühlt: „iiii“. Ein anderes möchte Erde mit der Schaufel hin und hertragen. „Man stellt Pflanzen ans Fenster, weil sie Licht brauchen“, sagen wir. „Gilt das für Kinder auch?“ Ein Mädchen: „Manchmal stelle ich mich selber ans Fenster. Bei uns ist ganz schön viel Schatten.“ Alle suchen sich eine Blüte oder ein Blatt für ihr Phil, Sophie & Co-Buch.

Auf dem Rückweg durch den Park beginnen wir eine „Wenn-ich-eine-Pflanze-wäre-Runde“. Ein Mädchen möchte ein Baum sein. Ein anderes Kind wäre gerne eine Rose. „Weil die so schön sind.“ Die Vorrednerin: „Dann möchte ich ein Baum mit Blüten sein.“

Auf dem Berg angekommen. Ein Werkstatttag

Als die ersten Kinder kommen, wundern sie sich darüber, dass keine Stifte in der Mitte unserer Kissenrunde stehen. Ein Korb mit Mandarinen lockt stattdessen. Wir bitten darum mit dem Essen zu warten, bis alle da sind und fragen, ob sie sonst noch etwas riechen. Ein Junge springt auf: „Jaaaa! Das riecht lecker.“ „Mandarinen, Zitronen, Blüten“, raten die Kinder. Wir zeigen Ihnen die Flasche mit dem ätherischen Öl und erklären, dass Philosophieren ja auch heißt, dass man ganz genau auf Veränderungen achtet. Alle wollen mal sprühen.

Als alle Kinder da sind erzählen wir, dass heute die Hälfte unserer Phil, Sophie & Co-Salons hinter uns liegen. Wir kündigen an, dass wir – während wir die Mandarinen essen – darüber sprechen möchten, was uns in Erinnerung geblieben ist und was uns Philosophieren bedeutet. Danach wollen wir in zwei ‚Werkstätten‘ zum Thema „Zeit“ und zu unserer Fragenlandkarte zurückkehren. Ein Junge hüpft und gibt Kraftlaute von sich. Er ist erst durchs Mandarinen-Schälen zu bändigen. Unser Plan geht auf. Nun kann das Gespräch starten. Drei Kinder fanden die Geschichte vom Kugelmenschen besonders gut, ein Mädchen zeigt ihre zweite Zeichnung dazu in ihrem Buch: Der Kugelmensch rennt fröhlich über ein Möhrenfeld. Ein Mädchen erinnert sich an den Glücks-Salon und an die Farbkarten. Auch der Besuch bei der Künstlerin wird erwähnt. Unser hüpfender Junge erinnert sich an den Fotografen bei der Künstlerin: „Das fand ich cool!“ Die anderen Kinder zeigen der Reihe nach, was sie in ihre Bücher gemalt haben. Ein Mädchen erinnert sich: „Ich war Supermann in meiner Welt“, sie zeigt das Bild und dann das vom letzten Mal: „Die 8-Welt ist gut, eine 10-Welt noch besser, oder eine 12-Welt!“ Sie strahlt. Unser jüngstes Mädchen (im letzten Sommer eingeschult!) hat ihr Buch fast vollständig mit Zeichnungen, Bildern und Collagen gestaltet. Unter der Rubrik „Meine Ideen“ sind drei Seiten dicht an dicht beschrieben. Alle staunen. Wir fragen was sie denn geschrieben hat. „Ich kann doch noch nicht schreiben“, sagt sie zaghaft. Sie hat die Seiten mit Buchstabengruppen gefüllt. Es wird klar, dass sie aber genau weiß, was dort steht. Wir sind begeistert. Eine Geheimschrift! Unsere Frage: „Was bedeutet für jeden von uns „Philosophieren?“ verschieben wir, da die Kinder unbedingt malen wollen.

Drei Kinder gestalten mit Aquarellfarbe die Fragenlandkarte: ein Glücksland/ Freundschaftsland (regenbogenfarbener Kreis), ein Schneeprinzessinnenland (ausgeschnittene Berge) und „die Wüste mit Pyramide, wo der Pharao wohnt“ entstehen. Ein Mädchen ist ganz versunken in die Bildausschnitte des Collagematerials, entscheidet sich für Berge und wählt noch Erdstrukturen für ihr Tagebuch. Unser zunächst wilder Junge hat sich ein Plätzchen am Boden gesucht und klebt einen Schneeberg in sein Buch. Nun malt er mit Aquarellfarben einen Rahmen. Ganz ruhig und zufrieden.

In der Zeit-Werkstatt stellen wir den Kindern das Bildmaterial vor: „Was ist denn wohl von früher, was von heute?“ Wir sortieren die Bilder in Gruppen auf der Pappe. „Vergangenheit, weil die so komische Sachen anhaben“, ist ein Kriterium. „Vergangenheit, weil das ist schwarzweiß?“, ein anderes. Die Bilder werden aufgeklebt. Die Gegenwart wird eine bunte Mitte. In der Vergangenheit (links) finden sich alte Postkarten, Zeitungsauschnitte, aber auch gemalte Kunstwerke. Rechts malen die Kinder, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. Über allem entsteht eine Wortkette: „Urlaubszeit, Uhrzeit, Kindergartenzeit („da mußte man nicht so früh aufstehen!“), Mut-Zeit, Dino-Zeit, Hungerzeit (das Wort kommt zu einem Foto aus der Nachkriegszeit), Schlafenszeit (ein Kind gähnt), ein Kind singt vor sich hin. Das Lesen ist noch mühsam für die Kinder, sie tasten die Buchstaben ab: „Friedenszeit“, kommt diesmal dabei heraus. „Das ist Gegenwart“, sagt ein Mädchen. Zur Kriegszeit erzählt ein anderes von ihrer Großmutter: „Die hat das wirklich erlebt!“ „Schulzeit ist eine gute Zeit“, sagt ein Kind. Ein anders verzieht das Gesicht. Die Kinder malen sich in die Gegenwart. „Das bin ich heute“, rufen drei nacheinander. „Später krieg ich braune Haare. Das weiß ich, weil meine Mama hat auch braune Haare. Und ich werde auch Tänzerin!“ In der Zukunft haben alle Kinder lange Beine und „keine Schulranzen!“ Und – wichtig –  das wurde von einem Kind mehrfach betont: „In der Zukunft ist meine Schildkröte Lili aus dem Tierheim zurück! Die Zeit neigt sich dem Ende zu.

Im Rückblick auf unsere sieben Salons sind wir überrascht, wie stark die Kinder den Ablauf unserer gemeinsamen Zeit mitbestimmen und wie wichtig die Phil, Sophie & Co-Bücher für sie sind. Was hat aber das, was wir tun mit Philosophie zu tun? Der Philosoph Peter Bieri benennt es in seinem Buch „Wie wollen wir leben?“ (2011): „Wer sich in dem, was er ist, nicht ausdrückt, verpasst eine Möglichkeit zu erkennen, wer er ist.“

Wo ist zuhause?

Jeder Mensch hat eine Herkunft und eine Wegstrecke vor sich, die ihn anderswo hin bringen wird. Und irgendwo auf diesem Weg liegt ein Zuhause, ein Ort, der anders ist als alle anderen Orte. Die Orte, die Menschen ihr Zuhause nennen, sind so verschieden wie die Menschen selbst.

Für manche ist das Zuhause an ein Haus gebunden, für andere an eine Landschaft oder an bestimmte Menschen. Manchmal ist es aber auch nur ein Gefühl, dass uns sagt, dass sich ein Ort von anderen Orten ganz wesentlich unterscheidet. Aber sind wir schon zuhause, wenn wir uns irgendwo wohlfühlen? Es gibt Menschen, von denen man sagt, sie haben „die ganze Welt gesehen“, während andere ihr Heimatdorf nie im Leben verlassen haben. Manche Menschen leben in großen, prächtigen Häusern, andere in einer kleinen Bude, einige in Zelten und viele Menschen auf der Welt haben gar kein festes Dach über dem Kopf. Heißt das, das manche über das Zuhause-Sein besser Bescheid wissen als andere?

Im Buch „Kleine Maus, große Stadt“ von Simon Prescott wird die Fabel von der Landmaus erzählt, die ihren Freund in der Stadt besucht und nach einer Weile großes Heimweh bekommt. „Es gibt eben keinen besseren Ort als das eigene Zuhause“ heißt es dort am Ende. Stimmt das?

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 Wir kleben aus Klebezetteln eine Begrifflandschaft an die Tür: Dinge, die ganz wichtig sind für unsere Vorstellung vom Begriff „Zuhause“ kleben wir direkt daneben, andere, weniger wichtige, etwas weiter entfernt. Über die meisten Klebestellen sind sich alle einig, bei manchen gibt es Diskussionen. Ist Strom wirklich wichtig für ein Zuhause? Die meisten Kinder feiern Weihnachten bei sich zuhause nur zwei fahren weg. Jedes Kind bekommt ein kleines Büchlein, um darin Dinge aufzumalen oder aufzuschreiben, die es zuhause gesehen hat. Jeder bemalt und beklebt die Titelseite, während wir weiter diskutieren.

Wir überlegen, was wir als erstes besorgen würden, wenn wir in ein völlig leeres Haus ziehen würden. Könnten wir uns mit diesen Dingen zuhause fühlen? Welche Dinge, die man nicht kaufen kann, gehören zu einem Zuhause noch dazu? „Dass man nicht ausgegrenzt wird, wenn man weint“ meint ein Junge. Das passiere schon mal in seiner Klasse in der Schule, „dabei ist eine Klasse ja auch eine Art Zuhause“. „Aber nicht, wenn man da dauernd Ärger hat“ widerspricht ein Mädchen. „Aber Ärger gehört zum Leben dazu“, hält ein anderer Junge dagegen, „und man muss auch einen Ort haben, wo man es rauslassen kann, sonst fühlt man sich irgendwann ganz komisch“. Einig sind sich alle, dass das Zuhause ein Ort ist, „wo man ganz fest hin gehört“. Und wo man beschützt wird, von einem Dach, von anderen Menschen, oder vom eigenen Mut, den man in einem Zuhause fassen kann, denn: „Zuhause ist man da, wo die Angst ganz weit weg ist“.

Woher kommt die ganze Welt?

Die ersten fünf Kinder kommen nacheinander an, setzen sich und legen die Phil Sophie & Co-Bücher vor sich auf den Boden. Ein Mädchen schaut auf die Fragenlandkarte. „Ich hab noch eine Frage!“, ruft sie: „Welcher Stern ist der Größte?“ Wir schreiben die Frage auf einen Zettel und heften ihn zu den anderen an die Karte. Ihre Nachbarin ist schon beim Thema des heutigen Salons, ohne dass wir ihn zuvor angesprochen haben: „Wie ist die Welt geworden?“, fragt sie und schreibt die Frage in ihr Buch. Ein drittes Mädchen: „Der größte Stern ist die Sonne!“ Zwei weitere Kinder kommen dazu. Eines von ihnen hat beim letzten Mal gefehlt. Wir erzählen ihr vom letzten Salon. Ein Mädchen: „Wir haben ein Bild angeschaut mit blühenden Bäumen. Und dass man glücklich ist, wenn man seine Lieblingsfarbe anhat.“ Das Mädchen neben ihr sagt mit ruhiger, eher zurückgenommener Stimme: „Wenn man glücklich ist, fühlt man sich geborgen.“ Das letzte Wort spricht sie auffällig gedehnt, als hätte sie es für den heutigen Salon mitgebracht. „Was heißt denn ‚geborgen‘, fragen wir tastend. Sie antwortet leise: „Wenn man sich sicher fühlt. Wenn man mit Mama und Papa zusammen ist.“ Während wir reden, holt ein Mädchen das Buch „Herr Flo sucht das Glück“ (Friederike Wilhelmi, Andrea Hebrok) aus der Tasche und sagt: „Das habe ich mitgebracht.“ Sie erzählt die Geschichte von Herrn Flo, der – auf der Suche nach einem Ort, an dem man sich wohlfühlen kann –  im Ohr eines verliebten Bären landet. Glück ist Geborgenheit, das  finden die anderen Kinder auch.

Als alle Kinder da sind, starten wir mit der Geschichte „Als die Welt noch jung war“ (Jürg Schubiger). Die Kinder malen beim Zuhören. Nach vier Schöpfungsvarianten fragen wir: „Was meint ihr denn, was zuerst auf der Welt war?“ Die Kinder sind kaum zu bremsen und wollen alle gleichzeitig reden. „Am Anfang war das Paradies“, startet ein Mädchen und müht sich, das Wort auszusprechen. Es folgen Geschichten vom Urknall, von herabfallenden Sternen und Meteoriten. Die Kinder kommen zu Adam und Eva aus der vorgelesenen Geschichte zurück. Ein Junge möchte sein Buch – das keine Bibel ist! (betont er), aber von Adam und Eva erzählt –  beim nächsten Mal mitbringen. Ein Mädchen meint, erst wäre die Milchstraße dagewesen und dann erst die Erde. Ein Junge springt auf und ruft laut: „Ich weiß, wie die Dinos gestorben sind! Die Vulkane sind ausgebrochen und dann kam die Eiszeit und dann sind die Pflanzenfresser gestorben und dann die Fleischfresser.“ Er ist kaum zu bändigen und hüft. Ein Mädchen bestätigt: „Ja, und dann sind sie gestorben.“ Wir fragen, woher die Menschen das denn wüssten. „Es war doch niemand dabei?“ Schweigen. Ein Mädchen, das sich kurzzeitig hinter ein Bücherregal zurückgezogen hat, kommt mit einem Buch über Dinosaurier zurück. „Aus Büchern!“, triumphiert sie. Alle wollen das Buch sehen. Wir fragen in die quirlige Gruppe: „Und woher wissen das die Menschen, die die Bücher geschrieben haben?“ Ein Mädchen, das auf ihrem Platz geblieben ist, sagt ruhig: „Die haben geforscht.“ „Mit Computern!“, ruft unser Dino-Experte. Wir: „Seit wann gibt es denn Computer?“ Die Antwort erübrigt sich. Dann kommt das Schlüsselwort, das alle mit einem ‚Jaaa!‘ unterstützen: „Knochen! Die haben die Knochen erforscht.“ Es wird wieder etwas ruhiger.

 

Auch unsere zweite Fragerunde wird sehr lebendig. „Wenn ihr die Welt neu erfinden würdet, wie würde sie dann aussehen?“, fragen wir. „Eine Welt aus Süßigkeiten!“, „Nie wieder Zähneputzen!“, “Dass man nie wieder schlafen muss“, lauten die Vorschläge. Mit dem letzten sind nicht alle einverstanden: „Ich schlafe aber gerne, ich kuschel mich gerne ein“, empört sich ein Mädchen und ergänzt: „Meine Welt soll aus Kissen sein, ganz weich!“ Ein ansonsten fröhliches Mädchen sagt jammernd: „Ich will, dass meine Schildkröte Lili wieder da ist. Die ist im Tierheim.“ Wir: „Oh, das ist traurig. Wir wünschen uns also eine Welt, in der die Menschen und Tiere, die wir lieben und die nicht bei uns sind, zu uns zurückkommen.“ Nickende Zustimmung. Unserem hüpfenden Junge geht es sichtlich gut in seiner Welt: „Alle sollen meine Diener sein!“, ruft er euphorisch. Die anderen verziehen die Gesichter. Wir: „Wollen wir alle Diener sein?“ Das ‚Nein‘ stört ihn nicht. „Dann hol ich meine Familie und meine Oma.“ Wir: „Wir wünschen uns eine Welt, in der sich alle wohlfühlen!“

Ein bis dato zuhörendes Mädchen meldet sich zaghaft. Wir ermutigen sie und wiederholen die Frage: „Wie würdest Du die Welt neu schaffen?“ Leise und ernst sagt sie: „Anders.“ Sie ist sichtlich in Gedanken, möchte aber nicht weiter reden. „Wir wollen jetzt mit Tusche malen!“, schallt es durch den Raum. Wir stimmen zu. Bis auf zwei Mädchen wechseln alle vom Boden an den Tisch. Das schweigsamere Kind begleiten wir an der Hand zum Maltisch. Später erzählt sie, dass sie sich eine „8-Welt“ wünscht. Als wir fragen, ob sie die Zahl 8 meint, nickt sie, will das aber nicht weiter ausführen. In ihr Buch schreibt sie groß ihren Namen, malt sich selbst mit Filzstiften – sehr detailliert mit Fingern und den einzelnen Fußzehen! – und schreibt eine 8. „In meiner Welt gibt’s mich“, spricht sie in die Runde, aber eher zu sich.

Die Acht-Welt

Die Aquarellfarben werden begeistert angenommen. Bäume, Blumen, viel Wasser, „eine Welt bei Nacht“, eine „mit Schwester“ und eine „mit Kakerlaken“ entstehen in den Büchern und auf anderen Blättern. Unser Dino-Experte sitzt auf dem Tisch und wischt immer wieder kraftvoll die Farbe vom Blatt. Dann stellt er sich ans Mikrofon und erzählt seinen Weltentwurf: „Ich will eine Welt, wo es nur Partys gibt, nur McDonalds-Häuser und alles ist umsonst!“. „Alle sollen reich sein“, löst ihn ein Mädchen ab. „Eine Welt aus Gold!“ Wir fragen, was man da denn essen könnte? „Honigmelonen“, antwortet sie. Wir: „Und welche Menschen gibt es in Deiner Welt?“ „Einen Gärtner und Kinder – aber keine die prügeln!“, ergänzt sie. Eines der zwei Mädchen, die am Boden malen, erzählt mit ernster Stimme: „Alle denken ich bin älter. Ich bin aber erst 6. Und viele glauben meine Schwester ist ein Junge.“ Wir: „Vielleicht glauben manche Leute, dass du älter bist, weil Du so gut malen und erzählen kannst.“ Ihre Nachbarin wirft ein: „In unserer Welt dürfen Mädchen alles, Jungen nicht!“ Die Zeit neigt sich dem Ende zu. Wir räumen auf und verabschieden uns.

Ist Können eine Kunst?

Im Leben eines jeden Menschen gibt es etwas, das er gut kann – manchmal sogar, ohne es zu wissen! Es gibt Menschen, bei denen sich erst durch einen Zufall herausstellte, dass sie in der Lage sind, etwas ganz besonders gut zu machen, besser als viele andere. Zugleich sind überall auf der Welt Kinder und Erwachsene damit beschäftigt, eine Sache zu üben und Fortschritte zu machen: beim Musizieren zum Beispiel, oder beim Sport. Manchmal macht das Üben Spaß, manchmal nicht, meistens aber ist es ein schönes Gefühl, wenn wir merken, dass wir etwas schaffen, was wir gerne schaffen wollen.

Manche sind berühmt für das, was sie besonders gut machen, andere pflegen Ihr Können eher im Stillen. Viele Menschen bekommen Applaus und viel Aufmerksamkeit für etwas, das andere auch gerne können würden. Und an einige wird man sich auch lange nach ihrem Tod noch erinnern. Dabei haben wir alle mal bei Null angefangen und konnten fast nichts – oder? Gibt es Dinge, die man gut kann, ohne sie jemals geübt zu haben? Und ist es wichtig, dass andere sehen, was man alles kann? Oder reicht es schon, es einfach für sich zu wissen? Macht uns erst unser Können wertvoll?

An unsere Erfolge denken wir alle gerne – aber wie fühlt es sich eigentlich an, etwas nicht zu schaffen, was man gerne schaffen möchte? Womit kannst du dich dann trösten? Alle Menschen haben nicht nur ganz klein angefangen, wir alle werden auch eines Tages wieder aufhören, das zu tun, was wir gut können, vielleicht weil wir zu alt dafür werden, weil es uns irgendwann keine Freude mehr macht, oder weil das Leben eben eines Tages zu Ende geht und damit auch alles, was wir gerne tun. Wir lange willst du das, was du jetzt gern tust, noch betreiben? Was brauchst du dafür? Wer kann dir dabei helfen?

Wir lesen sie Geschichte „Der große Bär“ von Nicholas Oldland und überlegen, wer in der Runde welche besonderen Fähigkeiten hat. Manche Kinder zögern zunächst, etwas zu benennen, worauf sie bei sich selbst stolz sind. Aber so nach und nach fällt jedem etwas ein. Wir basteln uns bunte Orden für uns selbst und legen sie in Pergamintütchen in unsere Arbeitsbücher, um sie bei Bedarf griffbereit zu haben. Manche Kinder basteln gleich mehrere Orden für mehrere Fähigkeiten oder für andere Menschen, die diese Sache ebenfalls gut beherrschen.

Warum ist es manchmal so schwer, etwas an sich selbst richtig gut zu finden, während wir andere Menschen schneller bewundern können? „Alles, was ich kann, kann irgendjemand irgendwo noch besser“ sagt ein Junge. „Woher willst du denn das wissen?“ fragt ein Mädchen zurück, „du kennst doch gar nicht alle!“. „Besondere Fähigkeiten sind so eine Art Dekoration“, sagt ein anderes Mädchen, „Hauptsache ist, dass man zufrieden ist, man kann auch ganz normal sein“. Ist „ganz normal sein“ vielleicht auch schon eine Kunst?

Welche Farbe hat das Glück?

Die Kinder treffen nach und nach ein, setzen sich auf ‚ihren Platz‘ und beginnen in ihre Phil, Sophie & Co-Bücher zu malen. Ein Mädchen zeigt ihren sehr detailiert gestalteten Kugelmenschen und ist sichtlich stolz.

Kugelmensch

Als alle da sind, erzählen wir dem Mädchen, das beim letzten Mal gefehlt hat, was wir bei unserem Besuch der Künstlerin Claudia Rößger erlebt haben. „Wir haben ganz viele Bilder angeschaut“, sagt eines der Mädchen, die in der Kleingruppe mit der Künstlerin eine zweite „Kunstbetrachtungsrunde“ gemacht hat. „Wir haben Monster gemalt“, ergänzt ein Junge. „Wir haben einen jodelnden Flamingo gefunden“ – das Mädchen jodelt und freut sich. Die anderen rufen „Ja!“

Wir fragen, ob denn jemand bemerkt hätte, was heute im Raum anders ist? Alle schauen sich um. „Die Wände sind blau!“, ruft ein Mädchen. „Sind die erst heute blau?“, fragen wir. „Nein“, schallt es. Das Mädchen, das gefehlt hat, zeigt auf unser Gruppenfoto, das bei Claudia Rößger entstand und nun an unserem Zeitstrahl in der „Gegenwart“ befestigt ist.  Großes „Hurra!“. Jedes Kind bekommt ein Foto. Mit dem Mädchen, das nicht dabei war besprechen wir, dass wir ihr Foto dazu kleben werden. Wir zeigen auf die vier Etappen des Zeitstrahls: „In der Antike, vor 2000 Jahren, gab es Philosophen, vor 500 und vor 200 Jahren gab es Philosophen und heute sind wir die Philosophen.“ Das scheint für die Kinder nicht der Rede wert, sondern eher selbstverständlich.

Wir verteilen eine Kopie des Bildes Mutter und Kind (2004). Der Reihe nach erzählt jedes Kind, woran es sich erinnert: „Das Bild ist dunkel.“ „Das Kind ist mit der Hand in was reingerutscht.“ „Ja, und kommt nicht mehr raus und die große Frau hilft ihr.“ „Das dritte Bein ist zu schwer, darum ist sie reingerutscht.“ „Was war das noch Mal mit den Zacken?“, fragt ein Junge. Die  Kinder überlegen. „Gefahr!“, sagt eines. Wir fragen: „Hatten die Zacken nicht etwas mit einem  Geräusch zu tun? Was hat Claudia erzählt?“ „Ja“, rufen gleich mehrere und machen gestikulierend Knall- und Explosionsgeräusche.

Wir fragen nach den Farben in Mutter und Kind. Die Antworten nutzen wir zur Überleitung zum heutigen Thema. Zudem erinnern wir an die Bilder, die die Kinder heute in ihre Bücher gemalt haben und an frühere Gespräche. Ein Kind hat eine ganze Seite ihres Buches flächig gelb gemalt, ein anderes ein buntes Haus: „So sieht das Haus aus, in dem ich wohnen will.“ Wir wiederholen vom Zeit-Salon die beschriebenen „glücklichen“ und „unglücklichen Momente“, von denen die Kinder sprachen. Nun legen wir die Farbkarten in die Mitte und sagen, dass sich jedes Kind seine heutige Glücksfarbe aussuchen kann. Als einige Kinder mehrere Karten nehmen, schlagen wir vor, eine nach vorne zu sortieren. Alle Kinder wählen Rot, Pink, Orange, ein Junge entscheidet sich erst für Rot, dann doch für Hellgrün, ein Mädchen für Türkisblau. Wir fragen, welche Situation, welches Gefühl oder welchen Ort sie mit der Farbe verbinden würden? Ein Mädchen zeigt auf ihren Pulli: „Pink mag ich“, ein anderes Mädchen unterstützt sie und zeigt ihr T-Shirt. Wir fragen, ob sie glücklich sind, wenn sie etwas Pinkfarbenes anhätten? „Ja“, rufen beide. „Kommt das Glück dann zu Euch?“, fragen wir. Davon sind beide überzeugt.

Utagawa Hiroshige, Kirschblüten am Ufer des Flusses Tamagawa

Wir fragen, wie denn der Ort oder die Landschaft aussehen, an denen sie glücklich waren? Ein Mädchen erzählt von „schönen rosa Wolken am Abend“. Ein anderes vom Urlaub in einem Dorf: „Da sind nicht so viele Autos und nicht so viele Menschen. Aber ganz viele Bäume.“ Viele Menschen und Autos mögen die anderen auch nicht. Das Mädchen mit der blauen Karte erzählt von ihren Ostseeurlaub, vom blauen Wasser und dem blauen Himmel. Und von ihrem Lieblingsschwimmbad „Da geh ich immer mit Papa hin.“ Ein Junge sagt: „Schwimmen ist toll, da kann man unter Wasser rennen und ist ganz langsam. Und man kann auf den Händen laufen, ohne den Boden zu berühren.“

Wir starten den Beamer: Auf der Leinwand sehen wir Utagawa Hiroshiges Kirschblüten am Ufer des Flusses Tamagawa (1856) und fragen, ob die Menschen dort wohl glücklich seien? „Ja“, sind sich alle einig. Der Reihe nach erzählt jedes Kind, was es sieht: „Ich seh‘ Rot.“ Sie steht auf und zeigt die Stellen im Bild, u. a. eine rote Tafel mit Schriftzeichen. „Das ist in Japan“, sagt ein Mädchen, das sieht man an der Schrift.“ „Schöne Häuser, wo die Menschen wohnen.“ „Ein blauer Himmel“ , „Ein Fluß, der in der Mitte ganz tief ist“, ergänzen die anderen. Ein Junge freudig: „Oh, da kann man reinspringen“ Wir fragen nach den Menschen im Bild, ob die es wohl eilig haben? „Nein, die reden und gehen spazieren.“ „Und wie riecht es in dem Bild?“ Ein Mädchen springt auf und zeigt auf die Baumblüten: „Toll, nach Blumen.“

C. D. Friedrich, Der Mönch am Meer

Nun zeigen wir C. D. Friedrichs Mönch am Meer (1808-1810). Die Kinder reagieren abwehrend und wollen lieber malen. Wir  fragen noch kurz: „Ist der Mann in dem Bild wohl glücklich?“ „Nein“, tönt es. „Das ist doch ganz grau“, ergänzt ein Junge mit deutlich gesenkter Stimme. Die Kinder holen ihre Bücher hervor und malen am Boden liegend, schauen aber bei unserer nächsten Frage noch mal kurz auf. „Kann man nicht auch alleine glücklich sein, wenn das Meer rauscht und die Sterne am Himmel scheinen?“ Der Junge: „Alleine sein ist schön, aber nicht so grau.“ Auch die anderen sagen, dass sie manchmal gerne alleine sind.“ „Ich will nicht mehr reden, ich will malen“, klagt ein Mädchen. Wir müssen lachen und fragen, ob denn Malen glücklich macht? Das „Ja“ ist eindeutig. Wir: „Dann wollen wir Euch nicht beim Glücklich sein stören“, und machen den Beamer aus.

Als die ersten Eltern kommen, malen die Kinder immer noch. Eine Großmutter schaut noch zu, wie ihre Enkelin zu Ende malt. „Ist ja toll, was ihr hier macht“, sagt sie zu den Kindern. Zu uns gewandt: „Da müssen wir Alten jetzt noch mal lernen, wer Platon ist. Aber ist ja gut so.“ Sie lacht.

Wozu möchte ich „Ja“ und wozu „Nein“ sagen – und wie geht das?

Wir hören die Geschichte „Wie das Ja zum Nein fand“  von Anne Thiel (zu finden im Archiv vom Bayrischen Rundfunk oder in der Kinderzeitschrift Geck, jeweils runter srcollen). Die Geschichte ist so angelegt, dass eine Figur immer nur ja sagt (Yippi, der Tag ist schön, es gibt kein schlechtes Wetter, ich mache das Beste aus allem, etc.), eine andere Figur kann nur Nein sagen (hat zu nichts Lust, will nicht mitmachen). Schließlich gerät die „Ja-Figur“ in eine ungemütliche Lage, wo sie liebend gerne „Nein“ sagen würde, aber es gelingt ihr nicht. Zum Glück kommt ihr die „Nein-Figur“ zu Hilfe.

Die Kinder haben die Geschichte sofort verstanden und schon während des Hörens kommentiert: „Ah, die „Ja-Figur“ kann immer nur „ja“ sagen“. „Ah, das „Nein“ „rettet das „Ja“. Manchmal muss man auch „nein“ sagen lernen.“

Im Anschluss: Verständnisfragen geklärt, dann weitergehend gefragt: Wozu kannst du „ja“ sagen?

Wir haben Begriffe gesammelt: Die Kinder können „ja“ sagen zu Geschenken, Süßigkeiten, etc.

Erste Differenzierung: „Aber wenn der Porsche geklaut ist?“

Dann haben wir Begriffe gesammelt, zu denen die Kinder „nein“ sagen (Krieg, Atomkraftwerk, etc.) Es herrschte ziemliche Einigkeit.

Dann kam der Begriff „Tod“ ins Spiel. Kann man da „ja“ oder „nein“sagen? Ein Kind erklärt, es könne gut sein, dass man irgendwann „ja“ dazu sagen kann, jetzt könne es sich das aber noch nicht vorstellen.

Begriff „Ehe“ – wann traut man sich da „ja“ zu sagen, wovon hängt es ab?

Wir haben die Begriffe versucht zu sortieren (Dinge, Ansichten, etc.) und am Ende der Stunde schreibt jedes Kind in sein Buch, zu was es selbt „ja“ oder „nein“ oder  – auch dieser Aspekt wurde erarbeitet, „vielleicht“ sagen könnte.

Bin ich groß oder klein?

Ein Elefant ist groß. Eine Maus ist klein. Und wir sind irgendwo dazwischen – oder? Wenn du auf einem hohen Haus stehst, dann fühlst du dich vielleicht groß weil du so weit schauen kannst wie ein Riese. Oder vielleicht fühlst du dich auch ganz klein, weil du siehst, wie weit der Himmel reicht und wie winzig alle Menschen sind, verglichen mit der Sonne und den Wolken. 

 „Groß zu sein ist gut!“, denken die einen und würden gerne noch ein Stückchen wachsen. „Ach, wäre ich doch klitzeklein!“, denken andere und träumen davon, sich einmal in einer kleinen Ritze verkriechen zu können, wie eine Ameise.

Viele Mensche sind der Meinung, dass man sich um die Kleinen besonders gut kümmern muss. Einige Erwachsene wären sogar manchmal gerne selber wieder ein kleines Kind – weil man es leichter hat, wenn man klein ist? Viele sind aber froh, dass sie endlich ausgewachsen sind und wollen nie wieder zurück in die Zeit, als sie noch Kinder waren. Weil groß sein so schön ist?

Die meisten Menschen fühlen sich mal so, mal so: An manchen Tagen mehr wie eine Giraffe und dann wieder eher wie ein kleiner Igel. Und manchmal vielleicht beides zugleich?

Wann fühlst Du Dich wie ein großes Tier? Und in welcher Situation wie eine kleine Maus? Wir hören die Geschichte „Klein sein“ aus dem Buch „Hier kommt Max!“ von Jan Weiler und spazieren durch die Erlebnisse in unseren Erinnerungen. Einige davon notieren wir in unsere Tagebücher und kleben passende Tiere dazu auf.

Ein Mädchen erzählt von seiner speziellen Familiengeschichte und dass sie sich klein fühlt, wenn sie daran denkt, was sie schon erlebt hat, als sie noch ein Baby war.

Und im selben Moment fühlt sie sich aber auch groß, weil sie alles bis hierhin ganz gut geschafft hat. Ein anderes Mädchen erzählt: „Wenn ich mich schäme, dann bin ich innerlich ganz klein und wie zerknittert“. Einige aus der Runde finden, dass groß und klein gar nicht so wichtig ist „weil die Welt für alle etwas hat, für die Großen gibt es Vorteile und für die Kleinen aber auch, nur andere“. Und da wir alle einmal ganz klein angefangen haben und dann größer werden, sei das auch gerecht. „Ja“, sagt ein Junge aus der Runde, „eigentlich ist es wichtiger, ob man breit ist oder sehr schmal“.

Zu Besuch im Atelier der Träume oder 1:0 für einen jodelnden Flamingo

Wir starten unseren ersten Ausflug, der uns – nur einen kurzen Fußmarsch von der Schule entfernt – zur Künstlerin Claudia Rößger führt. Die Kinder sind bester Laune und haben alle ihre Phil, Sophie & Co-Bücher dabei. Am Ziel angekommen, sind sie spürbar aufgeregt. Sie sprinten die Treppe hoch. Die Künstlerin begrüßt die Kinder. Sie verteilen sich auf den Sofas, nehmen ihre Phil, Sophie & Co-Bücher und beginnen zu malen. Unser Anfangsritual ist definiert – von den Kindern, nicht von uns! Claudia Rößger lädt die Kinder ein, mit ihr die Wohnung zu erkunden. Erster Höhepunkt: ein polnisch sprechendes Bilderbuch! Die Kinder sind begeistert. Sie sprechen darüber, wer von ihren Bekannten Polnisch spricht. Dann entdecken sie einen jodelnden Plüsch-Flamingo, beginnen ihn nachzuahmen und durch die Wohnung zu springen. Wer denkt da an Kunst und Philosophie! Wir warten, bis die Stimmung etwas ruhiger wird.

Ein Geburtstagsständchen für eines der Kinder bringt uns wieder auf die Sofas zurück. Nun können wir mit der Bildbetrachtung beginnen. Wir weisen die Kinder auf das große Bild (Mutter und Kind, Öl auf Leinwand, 2004) hin, das direkt in unserer Nähe hängt und fragen: „Sehen die Menschen auf den Bildern so aus, wie die Menschen auf der Straße?“

Claudia Rößger, "Mutter und Kind", Öl und Eitempera auf Leinwand, 120 x 140cm, 2004.

Claudia Rößger, "Mutter und Kind", 2004.

Die Kinder brauchen etwas, bis sie antworten: „Nein“, sagt ein Mädchen. „Anders“, „Ja, anders“ unterstützen sie zwei weitere. „Anders, warum?“, fragen wir. „Weil die bunt sind“, „Wie von früher“, „Andere Sachen haben die an“, stellen die Kinder fest. Die Künstlerin: „Ich mag bunte Sachen. Und wenn ich denke, heute hätte ich gerne einen roten Ringelpulli an, dann mal ich den.“ Wir: „Man kann also malen, was man sich wünscht. Was sind denn das da für große Zacken auf dem Bild?“ Ein Mädchen wiederholt die Frage. Die Künstlerin erzählt, dass sie dabei an ein Alarmsignal gedacht hat, „Peng!“ Zusammen erkunden wir das Bild, fragen nach dem dritten Bein der einen Figur und überlegen worin ihre Hand wohl feststeckt. „Die, die hinten steht, hilft der anderen,“ sagt ein Mädchen. Ein Junge: „Die laufen weg.“ Ein anderes Mädchen ruft: „Die eine hat keinen Kopf!“ und spielt darauf an, dass dieser nur angedeutet, aber nicht farbig ausgestaltet ist. „Ist das Bild denn wohl schon fertig“, fragen wir. „Jaaaaa“, rufen die Kinder zusammen. Die Künstlerin: „Manchmal weiß man auf eine Frage keine Antwort, dann kann man nicht weitermalen.“ „Wie in der Philosophie“, folgern wir.

Wir fragen, wer mit Claudia noch andere Bilder anschauen und wer lieber malen möchte. Die Gruppe und wir teilen uns auf. „Wir können ja auch etwas malen, das es gar nicht gibt“, schlagen wir vor. „Vielleicht kann man auch zu malen anfangen, ohne zu wissen, was dabei herauskommt.“ „Eine Badewanne, die sprechen kann“, „ein Haus mit 100 Fenstern und Türen“, ein „fliegender Supermann“, „ein Waal mit ganz vielen Augen“, „ein leuchtendes Herz“, „ein Monster“, kommentieren die Kinder ihre Bilder. Beim Stichwort ‚Monster‘ erzählt ein Mädchen, dass sie von Monstern geträumt hat. „Und dann hatte ich Angst“, sagt sie mit leidendem Blick. Zwei andere Kinder reagieren: „Ich träum‘ auch ganz oft was Gruseliges.“ Und: „Ich hab‘ geträumt, dass ich mich verirre und dann wach ich auf und hab Angst.“ Wir fragen: “Was kann man denn machen, wenn man schlecht träumt?“ „Weiterschlafen“, „Ja, weiterschlafen“, rufen die Kinder. Wir überlegen, was man noch tun kann. Ein Mädchen entdeckt ein Bild an der ihr gegenüberliegenden Wand, das von vielen schwarzen Figuren bevölkert wird. „Das ist auch ein schlechter Traum“, ruft sie. „Ja, schwarze Figuren sind böse“, ruft ein Junge.

Die anderen Kinder kommen von ihrer Kunst-Besichtigung zurück. Sie haben sich von der Künstlerin die Geschichten zu den Bildern erzählen lassen. Zum Abschluß unseres 4. Salons machen wir ein Gruppenfoto auf dem getigerten Sofa, hinter uns Mutter und Kind und inmitten der Kinder: der rosa Flamingo!

Wohin vergeht die Zeit?

Die Kinder setzen sich ganz selbstverständlich auf ihre Plätze, die sie sich in den letzten zwei Salons gewählt haben und machen es sich am Boden mit den Kissen oder auf einem Hocker gemütlich. Sie betrachten, was in der Holzkiste in der Mitte liegt: eine Eieruhr, eine Mandarine, eine Kerze und andere Dinge, die mit unserem heutigen Thema ‚Zeit‘ zu tun haben. Bis alle eingetroffen sind, holen sie ihre Phil, Sophie und Co-Bücher hervor und beginnen zu malen und sich zu unterhalten. Dem Kind, das beim letzten Mal gefehlt hat, zeigen wir die Abbildung der Schule von Athen in einem Buch. Ein Mädchen erzählt: „Das sind die ersten Philosophen.“ Ein anderes Mädchen: „Ich will heute einen Kugelmenschen malen“. Sie hat auch etwas zum Thema des heutigen Salons mitgebracht: ein Foto, dass ihren Vater als Schulkind zeigt. Wir schauen es an und vergleichen es mit den Fotos, die eine von uns als Kind mit Mutter und – auf einem zweiten – wiederum sie als Mutter mit ihrem Sohn zeigen.

Sanduhr

Zunächst lesen wir die Geschichte Zackarina und der Sandwolf von Asa Lind vor. Die Kinder malen beim Zuhören in ihren Büchern u. a. die darin vorgezeichnete Sanduhr aus. Wir fragen, ob denn wohl die Zeit aufhört, wenn man die Uhr im Sand vergräbt? „Nein“, tönt es. „Ich würde sie lieber im Schrank verstecken“, schlägt ein Mädchen vor, „dann ist sie nicht kaputt, wenn ich sie wieder raushole.“ „Ist die Zeit wirklich so alt und groß, wie der Sandwolf sagt“, fragen wir. „Die Zeit, die bestimmt ja fast über alles“, sagt ein Mädchen, „die bestimmt ja wann man ins Bett gehen soll, die bestimmt wann man essen soll und so. Die ist sehr mächtig. “ Dann fragt sie sich: „Was ist wohl größer, die Welt oder die Zeit? Kann man sich ja nicht vorstellen. Es könnte ja auch sein, dass die Zeit im Himmel schwebt.“ Ein Junge, der gerade seine Sanduhr ausmalt, sagt: „Eigentlich ist ne Sanduhr gar keine Zeit, weil da ist viel, viel zu wenig Sand drin.“ Auf die Frage, wer denn die Zeit erfunden hätte, antwortet er: „Keine Ahnung, ich glaube Gott. Gott hat die Erde in 7 Tagen erschaffen. Das weiß ich, dass steht in Büchern.“ „Meine Oma hat auch so ein Buch, eine Bibel“, wirft ein Mädchen ein. Ein anderes: „Warum soll Gott nicht auch die Zeit geschaffen haben. Wenn er die Welt hat, dann hat er auch die Zeit.“

„Können wir die Zeit zurückdrehen?“, fragen wir. Ein Mädchen: „Die Uhren könnten wir zurückdrehen, aber nicht den Tag.“ Auf die Frage, wann die Zeit schön, oder nicht so schön ist, sprudeln die Kinder los: „z. B. wenn man auf dem Schulhof verprügelt wird, dann ist die Zeit nicht schön.“ „Wenn es regnet, und man nass wird, dass ist schön.“„ Ich finde es schön, wenn es Sommer ist und es ganz heiß ist und es regnet und man mit nem Badeanzug draußen rum rennen kann.“ Als wir ein Mädchen, dass heute recht schweigsam ist, fragen, welche Zeit sie mag, sagt sie: „Erinnerung.“

Wo ist die Fremde?

Die Menschen auf der Welt sind alle sehr verschieden – aber auch sehr ähnlich. Was in einem Land ganz normal ist, kommt Menschen in einem anderen Land ganz komisch vor. Einige Dinge machen alle Menschen auf der Welt gleich oder zumindest sehr, sehr ähnlich.

Was alle Menschen gemeinsam haben, sind zum Beispiel Hoffnungen, Wünsche und Sehnsüchte. Und fast jeder Mensch hat irgendeine Angst, die einen vor etwas, was sie schon einmal erlebt haben und andere vor etwas, was es nur in der Phantasie gibt.

Noch niemand hat wirklich die ganze Welt gesehen, überall gibt es etwas zu entdecken und man muss dafür nicht einmal unbedingt weit fahren. Das Fremde ist manchmal ganz nah, es steckt in unseren Träumen und in unseren Wünschen, in unseren Sehnsüchten und Befürchtungen. Ist die Fremde ein guter Ort? Oder eher zum Davonlaufen?

Wir alle haben die Fremde schon erlebt, an ganz verschiedenen Orten und in ganz verschiedenen Situationen. Ist die Fremde vielleicht überall? Oder nirgendwo?

Wir schauen uns das Buch „Menschen“ von Peter Spier an und sprechen über seltsame Bräuche und Gewohnheiten. Anschließend lesen wir in den Kinderinterviews in „Ich wär so gern ein Huhn“ von Beatrix Schnippenkoetter von Kindern in Benin, Bangladesch und Bolivien und überlegen, wo das sein könnte die „Fremde“: Wer oder was ist Dir fremd? Hast Du Dich schon einmal fremd gefühlt? Wie war das? Warum fürchten wir uns manchmal vor etwas, das wir nicht kennen? Hilft Wissen gegen die Angst vor Unbekanntem? Kann Unbekanntes auch schön sein?

Fremd kann ein kurzer Eindruck sein, der Blick aus dem 7. Stock eines Hochhauses, von dem ein Kind erzählt, oder die Tatsache, dass es am Urlaubsort sonntags so laut war, ganz anders, als zuhause, wie ein anderes Kind berichtet. „Die Fremde, das ist das, woran man nicht so gut gewöhnt ist“, sagt ein Mädchen. „Es kann aber auch etwas gewohntes sein“, sagt ein anderes Kind, „was einem plötzlich nur ganz anders vorkommt“.

Es war einmal – Wie erkennt man, dass die Zeit vergeht?

„Es war einmal vor langer, langer Zeit, bestimmt vor deinem letzten Geburtstag, da lebte in dem großen Wald, der gleich hinter der Autobahn liegt, eine Fee” (aus: „Nee! Sagte die Fee” von Kirsten Boie). „Es war einmal“ – das klingt nach guter alter Zeit, aber Autobahn? Da weiß gleich jedes Kind, dass da was nicht stimmt. Kleine werden groß, Junge alt, Feen essen Müsli und wollen böse sein, und zum Versenden einer Nachricht brauchen wir längst keine Postkutsche mehr. Alles Zeichen, dass das Rad der Zeit sich dreht.

Um über dieses Phänomen zu philosophieren lesen wir als Einstieg das Märchen „Dornröschen“. Wie war das noch gleich? Dornröschen fällt in einen hundertjährigen Schlaf. Stell Dir vor, Dornröschen wäre vor 100 Jahren eingeschlafen und würde in unserem Zeitalter wieder aufwachen: Was hätte sich verändert? Würde es sich noch zurecht finden? „Die Leute von früher würden heute gut klarkommen, weil alles einfacher geworden ist“, sagt ein Mädchen, „zum Beispiel Strom, Autos, usw.“ Darüber entspinnt sich eine lebhafte Diskussion. Manches sei auch komplizierter geworden (mehr Telefonanbieter, etc.).

Kinder sagen, was Zeit für sie bedeutet: „Zeit ist Geld“, „Zeit ist hektisch“ aber auch „Zeit ist langsam und leise“ spiegelt die Bandbreite ihrer Assoziationen.

Anhand von alten Fotografien raten wie historische Berufe: „Der Mann hat kräftige Hände, mit denen arbeitet er wahrscheinlich“ (= Gepäckträger). Ein s/w Bild von ärmlich gekleideten Kindern ordnen die Kinder einer verganenen Zeit zu und sind überrascht, dass das heute ist, nur in einem anderen Land. Ein Bild zeigt eine Telefonzentrale und ein „antikes“ Telefon, das noch nicht mal eine Drehscheibe hat sondern nur eine Kurbel.

Zum Schluss dürfen die Kinder „Handys“ basteln, aus Blanko-Streichholzschachteln, Pfeifenputzern, Glitzerfolien und Plastikeiern. Die Kinder sind begeistert bei der Sache – kein Wunder, haben doch die Smartphones heute regelrechten Kultstatus. Die Aufgabe lautet, ein Handy zu basteln, wie es in 100 Jahren sein könnte. Aus den Eiern werden sofort I-Phones (Ei-Phones) gebastelt. Und die Kreativität tobt auch in andere Richtungen:  „Mein Handy hat einen kleinen Druiden, der sprechen kann“, „mein Handy fliegt immer neben mir, ich kann es nicht verlieren“, „meines kann Freunde erkennen“, usw.

Die Kinder erkennen spielerisch, wie sehr sie Kinder „ihrer“ Zeit sind,  wie unterschiedlich man Zeit empfinden kann und wie sehr sie unseren Alltag bestimmt. Die Stunde selbst ist auf jeden Fall nur so verfolgen.

Mit der Zeitmaschine zu den ersten Philosophen.

Raffaello Sanzio, Die Schule von Athen

Bis auf ein Kind haben alle an ihre Phil, Sophie & Co-Bücher gedacht. Sie zeigen sich gegenseitig, was sie gemalt und geschrieben haben. Wir regen an, einem Kind, das beim letzten Mal gefehlt hat, zu erzählen, was wir im ersten Salon gemacht haben und verweisen auf die Fragenlandkarte, die wir wieder aufgehängt haben. Einige Kinder wiederholen ihre Fragen. Sofort beginnen sie, neue Fragen zu stellen. Wir fassen zusammen, dass genau dieses unendliche Fragenstellen ‚Philosophieren‘ bedeutet. Aber seit wann gibt es Philosophen? Wir starten die Bildpräsentation mit Raffaels Schule von Athen  (1510/11) und erzählen, dass dieses Bild wahrscheinlich die ersten Philosophen zeigt. Auf einem Zeitstrahl, der unterhalb der Fragenlandkarte befestigt ist, zeigen wir, wann diese Philosophen gelebt haben (vor ca. 2000 Jahren), wann Raffael sie gemalt hat (vor ca. 500 Jahren) und fragen, wer denn weiß, wie die Zeit heißt, in der wir leben? Ein Kind antwortet: „2011“. Wir zeigen die Zahl auf dem Zeitstrahl. Nun beginnen wir die Bildbetrachtung. Die Kinder erzählen der Reihe nach, was sie sehen: „Viele Männer, zwei Frauen, zwei Kinder, ein schönes Haus, Wolken in den Fenstern….“ Wir fragen, was die Leute denn machen? „Sie lesen, unterhalten sich, manche zu zweit, manche in Gruppen….“ Zwei von ihnen seien in Gedanken versunken. Die Kinder vergleichen die Kleidung, finden die Gewänder „schön“. Wir erzählen, dass einige Philosophen noch heute bekannt sind und eine Frau auf dem Bild die erste Philosophin ist. Dann fragen wir, wer denn wohl die wichtigsten Gäste der Versammlung auf dem Bild sind? Alle sind sich einig, dass es die beiden Männer in der Mitte sind. Wir stellen sie vor: „Platon und Aristoteles, zwei der berühmtesten Philosophen der Antike.“

Wir erzählen von Platons Gastmahl (ca. 380 vor unserer Zeit), bei dem sich die Freunde des Dichters Agathon trafen, um sich z. B. über die Liebe zu unterhalten. Als Beispiel dafür, warum sich die Menschen lieben, folgt Aristophanes‘ Geschichte vom Kugelmenschen, die den Kindern sichtlich gefällt. Wir fragen, wen sie denn lieb haben? Sie zählen ihre Eltern, Geschwister, Verwandten, Freunde und Haustiere auf. „Wenn ich früher ein Kugelmensch war“, ruft ein Mädchen euphorisch, „dann hatte ich hundert Arme und Beine, so viele Menschen hab ich lieb!“ Wir fragen, wie sich denn Liebe anfühlt: „prima, schön, glücklich …“, antworten sie. Hat Liebe eine Farbe? Die Kinder nennen unterschiedliche Farben von Rot über Orange zu Rosa und Blau. Ein Junge ist nicht zu bremsen: „Rot, Gelb, Blau, Grün….“

In unsere Phil, Sophie und Co-Bücher malen und schreiben wir etwas zum Thema ‚Liebe‘. Wer noch nicht schreiben kann, dem helfen wir. Ein Bild zeigt zwei Freundinnen in einer Landschaft mit Herzchen, Blumen und Schmetterlingen. Ein anderes die Eltern, die – „nur zum Spaß!!!!! (hihi)“ – von einem Monster verschluckt werden.

Wie sieht Wut aus?

Ein Wutanfall kann wie ein Naturschauspiel sein: Wie ein Vulkanausbruch oder wie eine riesige Welle. Einen Wutanfall bei jemandem zu beobachten kann schon mal richtig Angst machen und es kommt vor, dass man sogar vor der eigenen Wut erschrickt. Doch meistens ist die Wut, wenn sie am größten ist, auch bald wieder vorbei. Nur selten bleibt Wut für längere Zeit, meist ist sie dann nicht so laut und heftig sondern etwas stiller, dafür beständig: „Groll“ nennt man sie dann.

Wenn wir über Wut sprechen, dann fallen unsviele Bilder ein: „Ich platze gleich“ sagt man zum Beispiel, „Ich bin auf hundertachtzig“ oder: „Die Wut ist verraucht“. Welche Bilder passen zu Deiner eigenen Wut? Welche Farbe hat sie? Auf welchen Wegen bewegt sie sich durch den Körper? Was macht die Wut mit Dir, und: Wie wirst Du sie wieder los? Ist Wut schlecht? Oder gar böse? Oder gehört sie zu uns wie die Erleichterung, die Freude und die Langeweile?

Wir schauen uns das Bilderbuch „Robbi regt sich auf“ von Mireille d‘ Allance und Markus Weber an und reden über Wutanfälle aller Art: „Die Wut ist halt ein Teil von mir, mal ist sie da und mal nicht“ und „Wut kann einfach nur ne Verkleidung für etwas anderes sein, für Traurigkeit zum Beispiel“.

Anschließend malen wir die Wut mit Buntstiften und leuchtender Ölkreide in unsere Arbeitbücher hinein.

1. Salon: Warum sind wir hier und nicht woanders?

Sechs Kinder unserer Gruppe sind sechs Jahre alt, ein Mädchen ist fünf, ein Junge und ein Mädchen acht. Alle wurden von ihren Eltern angemeldet. Sie wissen nicht so recht, was auf sie zukommt. Nur der achtjährige Junge antwortet: „Mein Vater sagt, hier kann ich etwas lernen.“ Die Kinder freuen sich über die Phil, Sophie & Co-Namensschildchen, tragen ihre Namen ein und malen sie an. Dann begeben wir uns auf die Suche nach Fragen, „auf die es keine richtigen oder falschen Antworten gibt“: „Warum heißt die Schinkenwurst Schinkenwurst?“, startet ein Kind. Ein anderes antwortet: „Na weil Schinken drin ist.“ Das Tempo steigt: „Warum gibt es große und kleine Kreise, große und kleine Büsche? Warum ist eine Kugel auf dem Fernsehturm? Warum hören die Zahlen nie auf? Kurze Diskussion: Hören sie bei Hundert auf, bei einer Millionen? Die Kinder kommen zu dem Schluß: sie hören nie auf.

Unsere Fragenlandkarte

Die Frage „Wie ist die Welt entstanden?“ löst ein Streitgespräch aus. Ein sechsjähriger Junge ist sich sicher, dass Gott sie geschaffen hat. Ein gleichaltriges Mädchen ist auch von Gott als Schöpfer überzeugt, erzählt von Adam und Eva und ergänzt: „Und Gott ist ein Mann, Frauen können so etwas nicht.“ „Meint Ihr auch, dass Gott ein Mann ist?“, fragen wir. Ein Mädchen antwortet: „Gott ist ein Mann, aber es gibt ja auch Göttinnen, die können was anderes.“ Der achtjährige Junge glaubt nicht an Gott und erzählt vom Feuerball der abkühlt, von Dinos und den ersten Pflanzen. Gott hätte ja auch noch niemand gesehen, schließt er. „Und wenn man in den Weltraum fliegt?“, überlegt ein anderer Junge. „Gibt es denn nur das, was man sieht?“, fragen wir. „Gott gibt es“, sind sich der Sechsjährige und seine Mitstreiterin sicher, die Luft könnte man ja auch nicht sehen und die gibt’s ganz sicher.“ Wir schreiben die Fragen auf kleine Zettel und kleben sie auf unsere Fragenlandkarte. Dann beginnen wir damit, die Karte mit Stiften zu gestalten: eine Schatzkiste, Flugzeuge, Raketen, Schiffe, Reiserouten, viel Wasser, Bäume, Blumen, Mädchen, Jungen und ein Vater „mit dickem Bauch, weil er so gerne isst“ beleben die Freiräume zwischen den Fragen. Die Zeit neigt sich dem Ende zu.

Zum Abschluß verteilen wir die Phil, Sophie und Co-Tagebücher. Großes „Oh!“ und „Ah!“. Wir kündigen an, dass wir sie im nächsten Salon genauer anschauen. Die Kinder verabschieden sich. Vor der Tür fragt ein Mädchen eine unserer Teilnehmerinnen: „Was habt ihr gemacht?“ Die Fünfjährige antwortet ganz selbstverständlich: „Wir haben Philosophie gemacht.“

Kann man Denken üben?

Unsere Gedanken gehören uns ganz allein – oder gehören wir zu unseren Gedanken? Es ist fast unmöglich, an gar nichts zu denken und manchmal verfolgt uns ein bestimmter Gedanke sogar bis in den Schlaf, obwohl wir ihn vielleicht viel lieber endlich vergessen würden. Werden unsere Gedanken schärfer, wenn wir uns länger damit befassen? Oder sind die spontanen Einfälle die besten? Kann man in einem Gedanken zuhause sein, und wenn ja: Hat dieses Zuhause eine Farbe?
Wir lesen aus „Zackarina und der Sandwolf“ und denken über das Denken nach. Anschließend kleben wir in unser Reisetagebuch Buchstaben ein, die zu unseren Lieblingsgedanken gehören.