3. Salon: Hat alles auf der Welt seinen Platz?

Die Erde scheint ein großes Durcheinander zu sein. Menschen aller Art, Häuser, Regentropfen, Glück, Sand, Staub, Fernsehprogramme, Hungersnot, Zauberei, Tiefsee, Lava, Kängurus, Politik, Schlamm – all das gibt es. Aber gehört all das auch irgendwie zusammen? Haben wir einen Platz darin? Gibt es eine Verbindung zwischen den Dingen? „Ja“, ruft ein Mädchen sofort „aber wir kennen sie nicht genau“. Auf die Rückfrage, was das für ein Zusammenhang sein könnte, antwortet sie: „Alles ist von irgendwem gemacht worden, alles kommt irgendwo her, vielleicht von einem Gott, ich weiß es nicht. Aber das haben alle Dinge gemeinsam“. Das leuchtet allen Kindern in der Runde ein. Haben wir damit die Antwort auf unsere Frage schon gefunden?

Wir schauen uns das Buch „Zoologie“ von Joelle Jolivet an, die auf schön gezeichneten Doppelseiten Tiere zu Kategorien zusammenfasst. Ich lasse die Kinder raten, welche Kategorie jeweils gemeint sein könnte. Die Kinder erraten jede Kategorie sehr schnell.

Im Anschluss daran wollen wir nun selber Kategorien bilden. Auf dem Teppichboden steht ein Gurkenglas mit einem Sammelsurium an kleinen Dingen darin – ein Mini-Universum, gewissermaßen. Ich schütte den Inhalt des Glases aus und bitte die Kinder, sich drei oder vier der Gegenstände, die einen Zusammenhang haben, auszusuchen. Die Kinder schieben die Teilchen hin und her und suchen sich zielsicher und schnell kleine Teilchen-Gruppen zusammen. Nacheinander raten wir, wer welche Kategorie dabei im Kopf hatte: „aus Glas!“, „aus der Natur!“, „bunt!“, und auch: „kaputt!“.

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Wir füllen alle Teile wieder in das Glas zurück und ich frage noch einmal nach dem Zusammenhang im Universum. Gibt es eine Ordnung im Chaos? „Ja, wenn du eine Ordnung in Deinem Kopf drin hast, dann kannst du die sozusagen auch in die Welt reintun“, erklärt ein Junge. „Oder Du siehst etwas, und merkst dann plötzlich, dass es zusammengehört, und so kommt die Ordnung dann von außen in Deinen Kopf rein“, erklärt ein anderer. „Aber das Chaos, das gibt es trotzdem“ beharrt ein Mädchen, „manchmal versteht man einfach gar nichts und kapiert nicht, wie alles sein soll“. „Aber nur weil du es nicht kapierst, heißt es nicht, dass es nicht trotzdem irgendwie geht, eine Ordnung zu finden“, sagt ein Junge abschließend. „Manchmal ist eine Ordnung da und wir können sie einfach nur nicht sehen“.

Zum Abschluss erzähle ich den Kindern eine Kurzversion von Platons Höhlengleichnis. Vielleicht gibt es irgendwo lauter Antworten auf unsere Fragen, und wir haben sie einfach noch nicht gefunden.

Wie entsteht mein Standpunkt? Oder alles eine Frage der Perspektive?

Ist Atomstrom sinnvoll? Selten hat sich ein Standpunkt zu einer konkreten Frage bei vielen Menschen so schnell verändert wie in den letzten Monaten. Auch sonst ist das so eine Sache mit dem Standpunkt. Wie kommt es, dass vernünftige Menschen, ja sogar Freunde, sich im Streit über einzelne Dinge fast die Augen auskratzen? Wieso gibt es unterschiedliche Meinungen? Und wer entscheidet, was wahr ist?

Als Einstieg lesen wir aus der  Geschichte „Kopf hoch, Fledermaus“ (von Jeanne Willis  und Tony Ross). In der Geschichte halten alle die Fledermaus für verrückt: „Es war einmal eine Fledermaus, die hatte nicht alle Tassen im Schrank. Zumindest dachten das die jungen wilden Tiere.” Denn, da die Fledermaus an einem Ast auf dem Kopf hängt, wünscht sie sich einen Regenschirm für ihre Füße, der Himmel ist für sie unten und das Gras oben. Wir lesen bis zu der Stelle, als das Ziegenkind sagt: „Wenn sie verrückt ist, ist sie vielleich auch gefährlich!“.

An die Lektüre schließen wir verschiedene Fragen an, zunächst Verständnisfragen, dann die eher „philosophischen“ Fragen. Von der konkreten Geschichte leiten wir auf das Kind ab:

  • Wieso ist für die Fledermaus der Himmel unten?
  • Warum halten die anderen Tiere die Fledermaus für verrückt?
  • Wer hat Recht?
  • Kannst du mit jemandem befreundet sein, der die Welt anders sieht als du?
  • Ist jemand, der „anders ist“ gefährlich?
  • Ist es dir schon mal passiert, dass du eine andere Meinung hattest als alle anderen? Kennst Du Beispiele?

Die Kinder sind lebhaft dabei und verstehen sofort, was es mit der unterschiedlichen Perspektive auf sich hat. Auf einmal geht es tatsächlich um Atomstrom und die Kinder diskutieren leidenschaftlich und wissen zum Teil erstaunlich gut Bescheid. (Später lesen wir das Buch noch zuende: Alle Tierkinder hängen sich an einen Ast, um die Perspektive der Fledermaus nachzuvollziehen.)

Ein physisches Experiment läßt uns am eigenen Leib spüren, was unterschiedliche Perspektiven konkret bedeuten:Wir suchen uns selbst unterschiedliche „Standpunkte“ im Raum: Ein Kind klettert auf einen Stuhl, eines legt sich unter den Tisch, eines steht in der Ecke, ein anderes im Zenrum. Wir tauschen uns aus über die Unterschiede: „In der Mitte des Raumes kann ich nicht sehen, was hinter mir ist.“, Hier unten kann ich viele Krümel auf dem Boden sehen, die man nicht sieht, wenn man steht.“

Am Ende der Stunde ist ganz nebenbei klar geworden, dass es gute Gründe für unterschiedliche Meinungen geben kann und das sich ein Austausch darüber allemal lohnt und den Horizont erweitert.